Meereswissenschaftliche Berichte No 12 1996 - Marine Science Reports No 12 1996
http://doi.io-warnemuende.de/10.12754/msr-1996-0012
doi:10.12754/msr-1996-0012
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Zu den Ursachen von Salzwassereinbrüchen in die Ostsee

Schinke, Holger

Abstract. Die Ostsee ist mit einer Fläche von 415 000 km² eines der größten Brackwassermeere der Erde. Sie ist mit der Nordsee nur durch schmale Zugänge im Bereich der dänischen Inseln verbunden. Die Wasserbilanz der Ostsee, die stark von der Flußwasserzufuhr bestimmt wird, führt im Mittel zu einem Ausstrom relativ salzarmen Wassers in der Oberflächenschicht und einem Einstrom salzreicheren Wassers in der Bodenschicht des Übergangsgebietes zwischen Nord- und Ostsee. Hierdurch bildet sich in der Ostsee eine sehr stabile Schichtung mit salzarmem Wasser an der Oberfläche und salzreichem Wasser am Boden aus. Durch diese Schichtungsverhältnisse sowie die Beckenstruktur der Ostsee wird die Vertikal- und Horizontalzirkulation stark behindert. Deshalb kommt es zu sogenannten Stagnationsperioden im Tiefenwasser, die vor allem durch die Abnahme des Sauerstoffgehaltes und die nachfolgende Bildung des lebensfeindlichen Schwefelwasserstoffs gekennzeichnet sind. Solche Stagnationsperioden können nur durch den Einstrom größerer Mengen salzreichen Wassers aus der Nordsee unterbrochen werden, die als Salzwassereinbrüche (SWE) bezeichnet werden. Diese können zu einer grundlegenden Erneuerung des Tiefenwassers fuhren, indem die eindringenden salzreicheren und damit schwereren Wassermassen die alten und stagnierenden anheben. Salzwassereinbrüche werden durch länger andauernde starke Westwinde verursacht und treten deshalb hauptsächlich im Herbst und Winter auf. Da sie sauerstofthaltiges Wasser in die untersten Schichten der Ostsee führen, sind sie fur die Tier- und Pflanzenwelt und damit für das Ökosystem "Ostsee" wichtige Ereignisse. Die Erforschung der Ursachen von Salzwassereinbrüchen war bisher bestimmt durch die Analyse von Einzelereignissen (z. B. WYRTKI 1954a; FRANCKE und HUPFER 1980) sowie die spektralanalytische Untersuchung meteorologischer und ozeanographischer Größen im Gebiet der Ostsee bzw. des Nordatlantiks (z.B. BÖRNGEN 1978b; BÖRNGEN et al. 1990; HUPFER et al. 1994). Als günstige Vorbedingung für das Eintreten von Salzwassereinbrüchen werden dabei übereinstimmend ein niedriger Wasserstand der Ostsee und erhöhte Salzgehalte im Tiefenwasser des Kattegats angesehen. (Unter dem Wasserstand der Ostsee ist die zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Ostsee befindliche Wassermenge zu verstehen, diese Größe wird deshalb auch oft als Füllungsgrad der Ostsee bezeichnet und in der Regel als Abweichung vom Mittelwert angegeben.) Sich daran anschließende mehrtägige bis mehrwöchige starke Westwinde können dann zu einem Salzwassereinbruch führen. Basis der spektralanalytischen Untersuchungen war die Hypothese von DICKSON (1971, 1973), daß ein relativ beständiges und wiederkehrendes Druckmuster über dem Nordatlantik einen verstärkten Transport salzreichen Wassers in die europäischen Schelfmeere verursacht und daß es infolge solch einer Salzgehaltserhöhung - die auch im Übergangsgebiet zwischen Nord- und Ostsee zu beobachten ist - zu Salzwassereinbrüchen kommt. In diesen Arbeiten konnte u.a. eine etwa dreijährige Periode bei der Meridionalzirkulation über dem Nordatlantik, bei der Zonalzirkulation über der Ostsee, beim Wasserstand der Ostsee sowie beim Salzgehalt des Tiefenwassers des Kattegats festgestellt werden. Die erste quantitative Definition von Salzwassereinbrüchen stammt von WOLF (1972). Darauf basierend ermittelte er für den Zeitraum 1950 bis 1968 zwanzig Salzwassereinbrüche und stellte fest, daß intensive Salzwassereinbrüche im Durchschnitt alle drei Jahre auftreten. Nach BÖRNGEN (1978b) sind die von WOLF angegebenen Salzwassereinbrüche im Zeitraum 1950 bis 1968 vorrangig im Bereich der Maxima der dreijährigen Salzgehaltsschwankung zu finden. FRANCK et al. (1987) gaben eine Definition von Salzwassereinbrüchen an, die auf den Vorstellungen von WOLF basiert. Auf Grund dieser Definition wurden aus Beobachtungsdaten alle Salzwassereinbrüche seit 1897 bestimmt. Dabei zeigte sich, daß es in den meisten Wintern Salzwassereinbrüche gegeben hat, im Mittel trat einer in jedem Winterhalbjahr auf. Eine Bestätigung für eine positive Salzgehaltsanomalie im Tiefenwasser des Kattegats als notwendige Voraussetzung für Salzwassereinbrüche konnte mit diesen Daten nicht gefunden werden (MATTHÄUS und FRANCK 1989). Es folgten weitere statistische Untersuchungen, die sich insbesondere mit den Änderungen von Wasserständen und Wasservolumina bei Salzwassereinbrüchen befaßten (MATTHÄUS und FRANCK 1990, 1992; FRANCK und MATTHÄUS 1992b). Der Salzwassereinbruch im Januar 1993, der eine zehnjährige Periode ohne solche Ereignisse beendete, gab Anlaß zu mehreren Einzelstudien (z. B. KLEINE 1993; MATTHÄUS et al. 1993; HUBER et al. 1994; LEHMANN 1994b; JAKOBSEN 1995; MATTHÄUS und LASS 1995). Damit kann man diesen Salzwassereinbruch als den am häufigsten in der Literatur beschriebenen betrachten. Das liegt zum einen am zehnjährigen Ausbleiben solcher Ereignisse und zum anderen an den großen Fortschritten, die die Modellierung in den letzten Jamen gemacht hat. Alle bisherigen statistischen Arbeiten zu den Ursachen von Salzwassereinbrüchen waren spektralanalytischer Natur. Bisher gibt es aber keine Arbeiten, die sich auf statistischer Basis von den exakten Daten von Salzwassereinbrüchen ausgehend - mit den meteorologischen Ursachen von diesen Ereignissen befaßt haben. Ausnahmen bilden Untersuchungen von MATTHÄUS und SCHINKE (1994b), deren Ergebnisse Teil dieser Arbeit sind. Ungeklärt ist bisher auch die Ursache für das Ausbleiben von Salzwassereinbrüchen von 1983 bis 1993, waszu einer drastischen Verschlechterung der Bedingungen im Tiefenwasser der Ostsee geführt hat (MATTHÄUS 1987, 1990; FRANCK und MATTHÄUS 1992a). Versuche der langfristigen Prognose von Salzwassereinbrüchen sind ebenfalls bisher gescheitert. Gegenstand dieser Arbeit ist es, mit statistischen Methoden erstmals den typischen Verlauf meteorologischer und ozeanographischer Größen bei Salzwassereinbrüchen umfassend darzustellen sowie Bedingungen aufzuzeigen, die Salzwassereinbrüche begünstigen bzw. sie verhindern. Basis aller Untersuchungen ist dabei der Datensatz der Salzwassereinbrüche nach FRANCK et al. (1987) in erweiterter Form (MATTHÄUS 1995). Im zweiten Kapitel erfolgt ein kurzer Überblick über die hydrographischen Bedingungen der Ostsee, eine ausführliche Darstellung des bisherigen Kenntnisstandes zu Salzwassereinbrüchen und zu verwandten Themen sowie eine eingehende Beschreibung der Definition von Salzwassereinbrüchen nach FRANCK et al. (1981). Das dritte Kapitel beinhaltet einen überblick über alle verwendeten Datensätze. Im vierten Kapitel werden die meteorologischen und ozeanographischen Bedingungen beschrieben, die unmittelbar bei einem Salzwassereinbruch bzw. in den Wochen davor zu finden sind. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den Druck- und Windverhältnissen. Das fünfte Kapitel gibt eine Übersicht über Unterschiede im Verhalten der meteorologischen und ozeanographischen Größen zwischen Wintern mit Salzwassereinbrüchenund solchen ohne. Besonders ausführlich wird hierbei die Rolle der Flußwasserzufuhr diskutiert, die möglicherweise einen entscheidenden Einfluß auf das Zustandekommen von Salzwassereinbrüchen hat. Außerdem wird mit Hilfe statistischer Modelle die Frage geklärt, wie sich die unterschiedlichsten Größen wechselseitig beeinflussen. Im sechsten Kapitel wird die Frage behandelt, ob es atmosphärische Fernwirkungen gibt, die für das Auftreten von Salzwassereinbrüchen eine Rolle spielen. An dieser Stelle wird insbesondere auf die Hypothese von DICKSON (1971, 1973) bzw. die darauf aufbauenden spektralanalytischen Untersuchungen von BÖRNGEN (1978b), BÖRNGEN et al. (1990) und HUPFER et al. (1994) eingegangen. Den Abschluß der Arbeit bilden die Zusammenfassung sowie das Literaturverzeichnis. Im Anhang ist eine Dokumentation zu den im Rahmen der Arbeit angefertigten Animationen des Bodendruckfeldes bei Salzwassereinbrüchen enthalten.

Citation

Holger Schinke: Zu den Ursachen von Salzwassereinbrüchen in die Ostsee. Meereswiss. Ber., Warnemünde, 12 (1996), doi:10.12754/msr-1996-0012

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