Meereswissenschaftliche Berichte No 14 1996 - Marine Science Reports No 14 1996
http://doi.io-warnemuende.de/10.12754/msr-1996-0014
doi:10.12754/msr-1996-0014
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Ultraphytoplankton and protozoan communities and their interactions in different marine pelagic ecosystems (Arabian Sea and Baltic Sea)

Reckermann, Marcus

Abstract. Die Zusammensetzung und Biomasse von Ultraphytoplankton- und Protozoen-Gemeinschaften, sowie deren trophische Wechselwirkungen wurden auf fünf Forschungsfahrten in verschiedenen Seegebieten unterschiedlichen Trophiegrades untersucht. Die nordwestliche Arabische See, der Golf von Aden und das südliche Rote Meer wurden während zwei verschiedener Monsun-Perioden beprobt (Südwest-Monsun im Sommer 1992 und Nordost-Monsun im Winter 1993). Zwei Untersuchungen fanden in der Pommerschen Bucht (südliche Ostsee) jeweils im Sommer 1993 und 1994 statt, und eine Expedition im Sommer 1994 führte in die Gotlandsee (mittlere Ostsee). Die Zusammensetzung und Biomasse von Ultraphytoplankton-Gemeinschaften Der Anteil des Ultraphytoplanktons an der gesamten Phytoplanktonbiomasse betrug etwa 60% während des meso- bis oligotrophen Nordost-Monsuns in der Arabischen See, aber nur 11% im zu dieser Zeit eutrophen südlichen Roten Meer. Mit Hilfe der Durchflußzytometrie konnten verschiedene Ultraphytoplankton-Gruppen unterschieden werden: die beiden prokarydtischen Genera Prochlorococcus und Synechococcus, sowie zwei weitere eukaryotische Ultraplankton-Gruppen. Die Eukaryoten und Synechococcus stellten den weitaus größten Anteil am Ultraphytoplankton-Bestand, wobei die Eukaryoten besonders an den eutrophen Stationen dominierten. In der oligotrophen Gotlandsee betrug das Ultraphytoplankton etwa 35% der gesamten Phytoplanktonbiomasse. In diesem Seegebiet konnten Synechococcus und vier weitere eukaryotische Ultraphytoplankton-Gruppen mittels Durchflußzytometrie unterschieden werden. Auch hier stellten die Eukaryoten den größten Anteil an der Ultraphytoplanktonbiomasse. In der meso- bis oligotrophen offenen Pommerschen Bucht betrug der Anteil des Ultraphytoplanktons an der gesamten Phytoplanktonbiomasse ca. 60%. Dieser Anteil verringerte sich in der eutrophen Ausstrom-Fahne der Oder auf etwa 45%. Hier konnten mittels Durchflußzytometrie und Epifluoreszenz-Mikroskopie 7 Gruppen unterschieden werden. Die Ultraphytoplankton-Gemeinschaft in der Pommerschen Bucht setzte sich neben Synechococcus aus drei unidentifizierten eukaryotischen Gruppen, sowie zwei Cryptophyceen zusammen. Im nährstoffarmen Wasser der offenen Bucht war Synechococcus die weitaus dominierende Art innerhalb der Ultraphytoplankton-Gemeinschaft, während in der Ausfluß-Fahne der Oder größere Eukaryoten und Cryptophyceen die höchsten Biomasse-Anteile hatten. In der Ostsee wurden 1994 mittels Epifluoreszenz-Mikroskopie außergewöhnlich hohe Abundanzen von Synechococcus nachgewiesen (Gotlandsee: bis zu 812.000 cm^-3, Pommersche Bucht: bis zu 1.500.000 cm^-3). In der Arabischen See nahmen die Abundanzen an Prochlorococcus mit zunehmendem Trophiegrad ab. Aufgrund dieser Beobachtungen, und gestützt von Hinweisen in der Literatur wird spekuliert, daß Prochlorococcus ein perfekt auf regenerierte Systeme des offenen Ozeans angepaßter Organismus ist. Die Zusammensetzung und Biomasse von Protozoen-Gemeinschaften In der Arabischen See wurde die Protozoen-Gemeinschaft von heterotrophen Nanoflagellaten (HNF, Zellkonzentrationen: 304 - 1630 cm^-3, Kohlenstoff-Biomasse: 1 - 7 μg dm^-3) und heterotrophen Dinoflagellaten (HDIN: 8 - 60 cm^-3 und 0,6 - 15 μg dm^-3) dominiert. Ciliaten spielten an den meisten Stationen eine untergeordnete Rolle. Eine Ausnahme bildeten die eutrophen Stationen in einer Auftriebsblüte während des Südwest-Monsuns, im Golf von Aden und im südlichen Roten Meer während des Nordost-Monsuns. Dort stellten die Ciliaten den größten Anteil an der Protozoenbiomasse (bis zu 7.800 dm^-3 und 17 μg dm^-3). An diesen Stationen war die gesamte Protozoenbiomasse stark erhöht, teilweise aufgrund höherer Zellkonzentrationen, aber auch aufgrund größerer Zellen. Die Flagellatengemeinschaft bestand bis zu 90% aus kleinen HNF (< 3μm). In der Ostsee war die Protozoenbiomasse generell höher als in der Arabischen See. In der Gotlandsee waren HNF (1.700 cm^-3 und 12,6 μg dm^-3) weitaus bedeutender als Ciliaten (1.300 dm^-3 und 2,4 μg dm^-3). In der Pommerschen Bucht wurden höchste Biomassenwerte in der Ausstrom-Fahne der Oder erreicht; dort stellten Ciliaten den größten Anteil der Protozoen (bis zu 176.000 dm^-3 und 81 μg dm^-3). HNF erreichten bis zu 12.000 cm^-3 und 58 μg dm^-3. Der heterotrophe Silicoflagellat Ebria tripartita erreichte nur vergleichsweise geringe Biomassen. Die Beweidung von Ultraphytoplankton durch Mikrozooplankton Die Durchführung von Verdünnungsexperimenten nach Landry und Hassett (1982) in Verbindung mit der Durchflußzytometrie erlaubte die Abschätzung von Freßraten von Mikrozooplankton (<200μm) auf verschiedene Ultraphytoplankton-Gruppen. In der Arabischen See während des Nordost-Monsuns unterlagen alle Gruppen einem hohen Fraßdruck. Indem etwa 100% (36 - 139%) der produzierten Biomasse täglich gefressen wurde, wurde ein Steady State - System in etwa aufrecht erhalten. Der Anteil des Ultraphytoplanktons an der insgesamt gefressenen Phytoplanktonbiomasse betrug in der Arabischen See etwa 100%. Die absoluten KohlenstoffFreßraten schwankten dort zwischen 4 - 28 μg dm^-3 d^-1. Dieser Anteil verringerte sich stark an den eutrophen Stationen im Golf von Aden und im südlichen Roten Meer, wo ein weitaus größerer Anteil an größeren Algen (>5 μm) beweidet wurden (71 - 146 μg dm^-3 d^-1). Während des Südwest-Monsuns ergab sich ebenfalls ein zweigeteiltes Bild. An den durch ein Auftriebsereignis beeinflussten nördlichen Stationen waren die Kohlenstoff-Freßraten bedeutend höher als an einer oligotrophen südlichen Station. In der Auftriebsblüte betrug die Wegfraßrate 118 μg dm^-3 d^-1, während sie an den mesotrophen nördlichen Stationen mit 48 - 86 μg dm^-3 d^-1 etwas niedriger waren. An der südlichen Station, die nicht durch Auftriebsphänome beeinflußt war, betrug die Wegfraßrate hingegen nur 20 μg dm^-3 d^-1. An dieser Station wurde ein Experiment zur Abschätzung des Fraßdrucks von Mikrozooplankton auf Bakterien durchgeführt. Es zeigte sich, daß dort Bakterien in etwa gleicher Höhe wie das Phytoplankton beweidet wurden (25 μg dm^-3 d^-1). Der Wegfraß des Phytoplanktons durch Mikrozooplankton in der Ostsee bewegte sich in derselben Größenodnung wie an den eutrophen Stationen in der Arabischen See. In der oligotrophen Gotlandsee betrug der Kohlenstoff-Wegfraß aller gemessenen Ultraphytoplankton-Gruppen zusammen 58 - 119 μg dm^-3 d^-1, während in der Pommerschen Bucht die Wegfraßrate des gesamten Phytoplanktons zwischen 83 und 140 μg dm^-3 d^-1 schwankte. Eine 'trophische Kaskade' im mikrobiellen Nahrungsnetz Verdünnungsexperimente, in denen verschiedene Größenklassen von Freßfeinden durch Größenfraktionierung vor Beginn der Inkubation entfernt worden waren, erlaubten die Identifizierung von mindestens zwei trophischen Ebenen innerhalb des Nanoplanktons (<20μm) in der Arabischen See zur Zeit des Nordost-Monsuns. Der Ausschluß von Freßfeinden größer als 10μm hatte eine erhebliche Steigerung des Fraßdrucks auf das autotrophe Ultraplankton zur Folge. Bis zu 83% der primären herbivoren Protozoen (10μm) wurden durch größere Räuber (10 - 200μm) täglich gefressen. Dieser Effekt konnte in der Ostsee nicht nachgewiesen werden. Schlußfolgerungen Ultraphytoplankton ist ein allgegenwärtiger und meist dominanter Bestandteil des Nahrungsnetzes verschiedenster pelagischer Ökosysteme. Die Biomasse und Vielfalt eukaryotischer Algen innerhalb des Ultraplanktons nimmt im allgemeinen mit steigendem Trophiegrad zu. Das Gegenteil trifft auf Prochlorococcus zu: dieser phototrophe Prokaryot erreicht höchste Konzentrationen in oligotrophen ozeanischen Gebieten, und verliert mit steigendem Trophiegrad schnell an Bedeutung. Prochlorococcus scheint in besonderen Maße an evolutionsgeschichtlich alte regenerierte Systeme angepaßt zu sein. In der Ostsee wurde Prochlorococcus bisher nicht gefunden. Synechococcus andererseits kommt in der Ostsee etwa um eine Größenordung zahlreicher vor als in ozeanischen Gebieten. Anders als Prochlorococcus erreicht Synechococcus auch in eutrophen Küstenregionen hohe Abundanzen, die jedoch meist überdeckt werden durch größere, blütenbildende Algen (Diatomeen, Dinoflagellaten, fädige Blaualgen). Es kann angenommen werden, daß der Synechococcus-Typ der Ostsee und anderer neritischer Regionen einer anderen Art angehört; als derjenige des offenen Ozeans. Die insgesamt höhere Biomasse aller am mikrobiellen Nahrungsnetz beteiligten Organismengruppen kann durch die hohe Zufuhr an Nährstoffen erklärt werden, die die räumlich relativ abgeschlossene Ostsee von Land erhält. Zusätzlich werden durch regelmäßige Blüten N2 - fixierender Blaualgen und atmosphärische Einträge der euphotischen Zone "neuer" Stickstoff zugeführt. Diese Bedingungen führen dazu, daß die nährstoffverarmte euphotische Zone der mittleren Ostsee im Sommer weitaus höhere Biomassen tragen kann als ozeanische Gebiete unter oligotrophen Bedingungen. Bildlich gesprochen dreht sich die "Recycling-Maschine" des Microbial Loop in der Ostsee auf einem höheren Niveau als in ozeanischen oligotrophen Gebieten. Kleine heterotrophe Nanoflagellaten sind von besonderer Bedeutung in oligotrophen Systemen. Sie scheinen die Voraussetzungen für Systeme regenerierter Produktion, nämlich hohe Wachstums-, Freß- und Remineralisierungsraten, in hohem Maße zu erfüllen. Die Bedeutung von Ciliaten hingegen nimmt mit steigendem Trophiegrad zu. Die Beweidung des autotrophen Ultraplanktons ist in Systemen aller Trophiestufen sehr hoch. Ein täglicher Wegfraß von ca. 100% der täglichen Produktion führt generell zur Ausbildung eines statischen Systems ohne große Biomasseschwankungen der beteiligten Organismengruppen (steady state). Dieser relativ konstante Kohlenstofffluß durch das mikrobielle Nahrungsnetz wird allerdings in Anwesenheit großer Algen in Bedingungen neuer Produktion überdeckt. In der Arabischen See während des Nordost-Monsuns wurde gezeigt, daß die Biomasse und Produktion des autotrophen Ultraplankton weitgehend durch Freßfeinde der Herbivoren kontrolliert wird ('top-down'- Kontrolle, trophische Kaskade). Die Durchflußzytometrie ist ein sehr geeignetes Instrument zur Untersuchung pelagischer Ökosysteme. Phytoplankton bis hin zu den kleinsten Dimensionen kann schnell und präzise quantitativ und semi-qualitativ analysiert werden. Mit speziellen Methoden können auch heterotrophe Bakterien mittels Durchflußzytometrie quantifiziert werden. Spezifische Färbestoffe bieten hier ein weites Spektrum an Anwendungen.

Citation

Marcus Reckermann: Ultraphytoplankton and protozoan communities and their interactions in different marine pelagic ecosystems (Arabian Sea and Baltic Sea). Meereswiss. Ber., Warnemünde, 14 (1996), doi:10.12754/msr-1996-0014

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