Meereswissenschaftliche Berichte No 127 2024 - Marine Science Reports No 127 2024
https://doi.io-warnemuende.de/10.12754/msr-2024-0127
doi:10.12754/msr-2024-0127
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Hydrographic-hydrochemical assessment of the Baltic Sea 2022

Naumann, Michael; Gräwe, Ulf; Umlauf, Lars; Burchard, Hans; Mohrholz, Volker; Kuss, Joachim; Kanwischer, Marion; Osterholz, Helena; Feistel, Susanne; Hand, Ines; Waniek, Joanna J.; Schulz-Bull, Detlef E.

Abstract. Die Arbeit beschreibt die hydrographisch-hydrochemischen Bedingungen in der westlichen und zentralen Ostsee im Jahr 2022. Basierend auf den meteorologischen Verhältnissen werden die horizontalen und vertikalen Verteilungsmuster von Temperatur, Salzgehalt, Sauerstoff, Schwefelwasserstoff und Nährstoffen mit saisonaler Auflösung dargestellt. Der Winter 2021/2022 belegt mit einer Kältesumme von 15,9 Kd in Warnemünde den sechsten Platz der wärmsten Winter der Datenreihe seit dem Jahr 1948. Die Wärmesumme des Sommers 2022 ist mit 281,4 Kd nur knapp unter dem Vorjahr (284,7 Kd), jedoch deutlich über dem Mittelwert von 161,4 Kd. Im gesamten Jahresverlauf 2022 blieben intensive Einstromereignisse erneut aus. Zwei kleinere Ereignisse mit Gesamtvolumina von 140 km3 und 158 km3 sorgten für die Belüftung des Tiefenwassers im Gebiet des Arkona Beckens. Im Dezember sorgten zusätzlich drei aufeinanderfolgende kleine Einschübe für ein Einstromvolumen von etwa 141 km3 mit einem Salzimport von 1,15 Gt. Der insgesamt abnehmende Trend von Sauerstoff, also tatsächlich die Zunahme von Schwefelwasserstoff, im Tiefenwasser der tiefen Ostseebecken ging im Jahr 2022 grundsätzlich weiter. Seit einiger Zeit wird immer deutlicher, dass auch flache Bereiche der Ostsee immer öfter von saisonalem Sauerstoffmangel betroffen sind. Der Abbau der großen Mengen an organischem Material, die aufgrund der anhaltenden Eutrophierung produziert werden, verbraucht im beträchtlichen Umfang Sauerstoff, was sich besonders im Bereich des Meeresbodens auswirkt. Zwar hatte sich im Februar 2022 im westlichen und zentralen Arkonabecken sauerstoffreiches Bodenwasser mit einer Konzentration von 310-335 µmol l-1 Sauerstoff gebildet, das aber letztendlich nur in einigen Bereichen eine vorübergehende Verbesserung brachte. Es passierte das Bornholmsgatt und mischte sich dann in das Bornholmbecken Tiefenwasser ein. Über das Frühjahr und den Sommer wurde es mit 130-270 µmol l 1 Sauerstoff weiter ostwärts bis in die südliche Gotlandsee transportiert, wo es in einer Tiefe von etwa 100 m noch eine Konzentration von bis zu etwa 45 µmol l-1 Sauerstoff aufwies. Die ausgewählten Stationen westlich der Darsser Schwelle (Fehmarn Belt, Lübecker und Mecklenburger Bucht) wiesen im Februar 2022 relativ hohe winterliche Nitratkonzentrationen im Oberflächenwasser im Vergleich zu den letzten Jahren auf, was eventuell einen Einfluss von Nordseewasser anzeigte. Dagegen waren die Stationen in der zentralen Ostsee eher durch niedrigere Nitratkonzentrationen im Februar gekennzeichnet, was eventuell auf dem zunehmenden Sauerstoffmangel und verstärktem Nitratabbau im Tiefenwasserkörper beruhte. Die relativ niedrigen Werte von 3,4 µmol l-1 Nitrat im Oberflächenwasser der Station Gotlandtief und 2,9 µmol l-1 am Bornholmtief im Winter verursachten eine frühe Aufzehrung von Nitrat, bereits bei noch niedrigen Temperaturen. Dies ermöglichte wahrscheinlich, dass Phosphat über das Sommerhalbjahr 2022 praktisch permanent vorhanden war. Nur Anfang August lag die Konzentration im Gotlandtief unter der Nachweisgrenze. Die Jahresmittelwerte der Phosphatkonzentration im Tiefenwasser des Bornholmbeckens spiegelten eine beträchtliche Variabilität seit 2018 auf hohem Niveau von 4,2 ± 0,9 µmol l-1 in der Referenztiefe wider. Wogegen die Phosphatkonzentrationen im Landsorttief und dem Karlsötief mit 3,7 ±0,4 µmol l-1 und 3,8 ±0,3 µmol l-1 Phosphat in den entsprechenden Referenztiefen stabiler waren. Das Gotlandtief zeigte die deutlichste Akkumulation von Phosphat, bis auf 6,1 µmol l-1, und von Ammonium, sogar bis auf 27,9 µmol l-1 in 2022. Wobei im Fårötief die Phosphat- und Ammoniumkonzentration auf 4,7 µmol l-1 bzw. 15,9 µmol l-1 n der Referenztiefe anstieg, und nur im Jahr 2020 durch etwas niedrigere Jahresmittelwerte unterbrochen wurde. Im Bornholmtief bewegte sich die Ammoniumkonzentration bei hoher interannueller Variabilität auf niedrigerem Niveau von 2,2 ±1,4 µmol l-1. POC und PON Konzentrationen waren im Jahr 2022 im Oberflächenwasser hauptsächlich in den Monaten März, Juli, und teilweise im Mai aufgrund von Primärproduktion während der Frühjahrs- und Sommerblüten erhöht. Oberflächen- und Tiefenwasser POC, PON, sowie C/N Verhältnis unterschieden sich nicht signifikant vom Langzeitmittel. In diesem Bericht sind die während des Ostsee-Umweltmonitorings im Februar 2022 ermittelten Oberflächenwasserkonzentrationen für chlorierte Kohlenwasserstoffe (CHC) und Oberflächensedimentgehalte für CHC, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAH, U.S. EPA PAH) sowie für Organozinnsubstanzen (OT) zusammengefasst. Die Bestimmung der PAH in den Seewasserproben war aus technischen Gründen nicht möglich. Erstmals erfolgte die Bestimmung des Pestizids Heptachlor und des Metaboliten Heptachlorepoxid (HEPEP) in den Seewasserproben. In den Oberflächenwasserproben wurden für DDT und Metabolite (ΣDDTsum) Konzentrationen von 2,7 pg l-1 - 9,1 pg l-1 ermittelt; die höchste Konzentration von 9,1 pg l-1 für den Bereich Pommersche Bucht. Die Konzentrationen des langlebigen Abbauproduktes p,p‘-DDE waren höher im Vergleich zu p,p‘-DDT, was darauf deutet, dass aktuell keine wesentlichen neuen DDT-Einträge erfolgten. Für PCBICES und HCB wurden Konzentrationen von 1,6 pg l-1 – 13,1 pg l-1 für ΣPCBICES,SUM bzw. 4,8 pg l 1  9,9 pg l-1 für HCBSUM ermittelt. Die höchsten PCB-Konzentrationen wurden im Bereich Kieler Bucht/Fehmarn Belt und für HCB in der Pommersche Bucht ermittelt, d.h. 13,1 pg l-1 ΣPCBICES,SUM und 9,9 pg l-1 HCBSUM. HEPEP wurde in allen Oberflächenwasserproben mit Konzentrationen von 0,28 pg l-1 0,83 pg l-1 HEPEPSUM nachgewiesen. Heptachlor wurde dagegen in keiner der Transektproben gefunden. In den Oberflächensedimentproben wurden für DDT und Metabolite (ΣDDT) Gehalte von 29,3 ng g-1 - 168,7 ng g-1 TOC ermittelt; der höchste Gehalt von 168,7 ng g-1 TOC für die Pommersche Bucht. Für PCBICES und HCB wurden Konzentrationen von 63,7 ng g-1 –166,0 ng g-1 TOC für ΣPCBICES bzw. 0,34 ng g-1  44,0 ng g-1 TOC für HCB ermittelt. Die jeweils höchsten Gehalte wurden für die Station in der Pommerschen Bucht ermittelt, d.h. 166,0 ng g-1 TOC ΣPCBICES und 44,0 ng g-1 TOC HCB. Für PAH wurden Gehalte von 16951,8 ng g-1 - 40000,0 ng g-1 TOC ΣPAH ermittelt; der höchste Gehalt von 40000,0 ng g-1 TOC an der Station in der Pommerschen Bucht. Es wurden Organozinngehalte von bis zu 278,7 ng g-1 TOC ΣOT (MBT, DBT, TBT, TPhT) detektiert. Dabei wurde an keiner der untersuchten Stationen TPhT nachgewiesen. An der Station in der Pommerschen Bucht wurde keine der Organozinnverbindungen detektiert. Die Bewertung der ermittelten Daten erfolgte auf Grundlage der Umweltqualitätsnormen (UQN) der Wasserrahmenrichtlinie und HELCOM-Indikatoren. Alle in den Oberflächenwasserproben ermittelten Konzentrationen für HEPEP überschreiten die Jahresdurchschnitts-UQN von 0,01 pg l 1. Die nachgewiesenen Gehalte für TBT in den Oberflächensedimentproben überschreiten den threshold value des HELCOM Indikators TBT and imposex von 1,6 µg kg-1 TS, 5 % TOC. Der für die Pommersche Bucht ermittelte Anthracen-Gehalt (0,3 ng g-1 TS ≙ 50 µg kg-1, 5 %TOC) überschreitet den threshold value des HELCOM Indikators Polycyclic aromatic Hydrocarbons and their Metabolites von 24 µg kg-1 TS, 5 %TOC.

Abstract. The article summarizes the hydrographic-hydrochemical conditions in the western and central Baltic Sea in 2022. Based on the meteorological conditions, the horizontal and vertical distribution of temperature, salinity, oxygen/hydrogen sulphide and nutrients are described on a seasonal scale. The winter season 2021/22 shows a “cold sum” of 15.9 Kd recorded at station Warnemünde, which is ranked on 6th place of warm winters in comparative data from 1948 to date. The summer “heat sum” of 281.4 Kd is far above the long-term average of 161.4 Kd and only slightly below the previous year 2021 (284.7 Kd). In the course of 2022, the Baltic Sea experienced again no strong inflow activity. Only two smaller inflow pulses occurred with total volumes of 140 km3 and 158 km3 all over the year which ventilated the Arkona Basin. During December occured a stepwise sealevel rise of three small pulses which led to an total inflow volume of 141 km3 and salt mass import of 1.15 Gt. The overall decreasing trend of the oxygen concentration, in fact, the increase of hydrogen sulphide in deep waters of Baltic Sea deeps was basically ongoing in 2022. Recently, it became obvious that also shallow areas of the Baltic Sea are more often subjected to saisonal low oxygen values. The degradation of large amounts of organic matter that is produced because of ongoing eutrophication, causes a high oxygen demand impacting especially the seafloor. However, in February an oxygenated bottom layer in the western and central part of the Arkona Basin with a concentration of 310-335 µmol l-1 oxygen was formed that only temporarily and locally improved the conditions. The oxygenated water passed the Bornholmsgatt and was mixed with Bornholm Sea deep water. The newly formed water mass contained 130-270 µmol l-1 oxygen. It was further transported eastward and reached the southern part of the Eastern Gotland Basin in spring and summer 2022 with oxygen concentration of about 45 µmol l-1 at a depth of 100 m. The selected stations in the regions west of Darss Sill (Fehmarn Belt, Lübeck and Mecklenburg Bights) showed relatively high winter nitrate concentrations in surface water in comparison to recent years, which might hint to an influence of North Sea water. Whereas the stations in the Baltic Proper were characterized by low nitrate values in February, perhaps originating from an increasing oxygen debt and nitrate consumption in the deep water body. The relatively low winter nitrate concentration of 3.4 µmol l-1 in Gotland Deep surface water and 2.9 µmol l-1 at Bornholm Deep station, caused an early exhaustion of nitrate already at low temperatures. This likely enabled availability of phosphate almost throughout the summer half-year in 2022. Only in early August, the value was below the detection limit. The annual mean phosphate concentration in the Bornholm Sea deep water depicted a considerable interannual variability since 2018 on a high level of 4.2 ±0.9 µmol l-1 at the reference depth. Whereas, the Landsort and Karlsö Deeps with 3.7 ±0.4 µmol l-1 and 3.8 ±0.3 µmol l-1, repectively, in the selected reference depths were more stable. The Gotland Deep showed the strongest accumulation of phosphate to 6.1 µmol l-1 and ammonium of even 27.9 µmol l-1 in 2022. Thereby, the phosphate and ammonium concentrations increased in the Fårö Deep to 4.7 µmol l-1 and 15.9 µmol l-1, respectively, in the reference depth. This increase was interrupted only in 2020 by slightly lower annual averages. In the Bornholm Deep, the ammonium concentration scattered around relativ low values of 2.2 ±1.4 µmol l-1 in 2022 at high interannual variability. In 2022, POC and PON concentrations were elevated in the surface water of the Baltic Sea in March, July, and partially May, induced by primary production during spring and summer blooms. Surface and deep POC and PON or particulate C/N ratios were not significantly different from long term means. This report summarizes surface water concentrations for chlorinated hydrocarbons (CHC) and surface sediment contents for CHC, polycyclic aromatic hydrocarbons (PAH, U.S. EPA PAH) as well as organotin substances (OT) which were determined during the Baltic Sea monitoring in February 2022. Due to the occurrence of technical problems PAH data for surface water samples cannot be reported. Since 2022 the determination of the pesticide heptachlor and its metabolite heptachlorepoxide (HEPEP) is included in the assessment. Concentrations of 2.7-9.1 pg l-1 were determined for DDT and metabolites (ΣDDTsum); highest concentration of 9.1 pg l-1 for the area Pomeranian Bight. Concentrations of the long-lived degradation product p,p'-DDE were higher compared to p,p'-DDT, indicating no significant new DDT inputs. For ΣPCBICES,SUM and HCBSUM, concentrations of 1.6-13.1 pg l-1 and 4.8-9.9 pg l-1 were determined. Highest PCB concentrations were detected in the Kiel Bight/Fehmarn Belt area and for HCB in the Pomeranian Bight, i.e., 13.1 pg l-1 ΣPCBICES,SUM and 9.9 pg l-1 HCBSUM. HEPEP was detected in all seawater samples with concentrations ranging from 0.28-0.83 pg l-1 HEPEPSUM. Heptachlor was not detected in any of the transect samples. In the surface sediment samples 29.3 ng g-1 - 168.7 ng g-1 TOC were determined for DDT and metabolites (ΣDDT); the highest content of 168.7 ng g-1 TOC for the Pomeranian Bight. For ΣPCBICES and HCB, contents ranging from 63.7 ng g-1 - 166.0 ng g-1 TOC and 0.34 ng g-1 - 44.0 ng g-1 TOC were determined, highest contents for the site in the Pomeranian Bight, i.e. 166.0 ng g-1 TOC ΣPCBICES and 44.0 ng g-1 TOC HCB. PAH contents ranged from 16951.8 ng g-1 - 40000.0 ng g-1 TOC ΣPAH; the highest content was obtained for the station in Pomeranian Bight with 40000.0 ng/g TOC. Organotin contents of up to 278.7 ng g-1 TOC ΣOT (MBT, DBT, TBT, TPhT) were detected. TPhT was not detected at any of the sites and none of the organotin compounds was detected at the station in the Pomeranian Bight. The assessment of the obtained data was based on the environmental quality standards (EQS) of the Water Framework Directive and HELCOM indicators. All surface seawater concentrations for HEPEP exceed the annual average EQS of 0.01 pg l-1. The detected surface sediment TBT contents exceed the threshold value of 1.6 µg kg-1 DW, 5 % TOC of the HELCOM indicator “TBT and imposex”. The anthracene content of 0.3 ng g-1 DW (≙ 50 µg kg-1 DW, 5 % TOC) determined for the Pomeranian Bight exceeds the threshold value of the HELCOM indicator “Polycyclic aromatic Hydrocarbons and their Metabolites” of 24 µg kg-1 DW, 5 % TOC.

Citation

Michael Naumann, Ulf Gräwe, Lars Umlauf, Hans Burchard, Volker Mohrholz, Joachim Kuss, Marion Kanwischer, Helena Osterholz, Susanne Feistel, Ines Hand, Joanna J. Waniek, Detlef E. Schulz-Bull: Hydrographic-hydrochemical assessment of the Baltic Sea 2022. Meereswiss. Ber., Warnemünde, 127 (2024), doi:10.12754/msr-2024-0127.

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