Meereswissenschaftliche Berichte No 128 2024 - Marine Science Reports No 128 2024
https://doi.io-warnemuende.de/10.12754/msr-2024-0128
doi:10.12754/msr-2024-0128
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Hydrographic-hydrochemical assessment of the Baltic Sea 2023

Naumann, Michael; Gräwe, Ulf; Mohrholz, Volker; Kuss, Joachim; Kanwischer, Marion; Osterholz, Helena; Feistel, Susanne; Hand, Ines; Waniek, Joanna J.

Abstract. Die Arbeit beschreibt die hydrographisch-hydrochemischen Bedingungen in der westlichen und zentralen Ostsee im Jahr 2023. Basierend auf den meteorologischen Verhältnissen werden die horizontalen und vertikalen Verteilungsmuster von Temperatur, Salzgehalt, Sauerstoff/ Schwefelwasserstoff und Nährstoffen mit saisonaler Auflösung dargestellt. Der Winter 2022/2023 belegt mit einer Kältesumme von 30,8 Kd, gemessen in Warnemünde, den 15. Platz der wärmsten Winter der Datenreihe seit dem Jahr 1948. Die Wärmesumme des Sommers 2023 ist mit 288,7 Kd nur knapp über dem Vorjahr (281,4 Kd), jedoch deutlich über dem Mittelwert von 163,0 Kd. Die seit 2017 andauernde Serie von Jahren mit nur schwachen Einstromereignissen wurde im Jahr 2023 endlich unterbrochen. Im Dezember ereignete sich um die Weihnachtsfesttage herum ein Salzwassereinstrom, der nach MOHRHOLZ (2018) als „Major Baltic Inflow“ (MBI) mittlerer Intensität klassifiziert werden konnte und etwa 1,7 Gt salzreiches Wasser (>15 g kg-1) in das Tiefenwasser des Arkona Beckens transportierte. Durch die fortschreitende Akkumulierung von Schwefelwasserstoff im Tiefenwasser der Gotlandsee setzte sich die Intensivierung des Sauerstoffmangels und seiner Begleiterscheinungen in 2023 grundsätzlich fort. Das erhöhte Sauerstoffdefizit wurde wahrscheinlich durch die anhaltende Eutrophierung und die produzierten und anschließend remineralisierten großen Mengen an Biomasse verursacht. An der Station Gotlandtief nahm die der Schwefelwasserstoff äquivalenten Sauerstoffkonzentration seit 2019 auf 317 µmol l-1 und am Fårötief auf -171 µmol l-1 Sauerstoff im Jahr 2023 in den entsprechenden Tiefenwasser Referenztiefen ab. Das zum Teil kühle und stürmische Wetter im Sommer verhinderte weitgehend einen starken saisonalen Sauerstoffmangel im Bodenwasser der flachen Bereiche der Ostsee. Darüber hinaus strömte kaltes Wasser eines kleineren barotropen Einstroms aus dem Dezember 2022 erst in die Arkonasee und dann überfloss und mischte sich der Wasserkörper im März in das bereits sauerstoffangereicherte warme Wasser in der zentralen Bornholmsee mit einer resultierenden Sauerstoffkonzentration von 145-255 µmol l-1. Ein einzelnes Wasserpaket mit diesem warmen sauerstoffangereicherten Wasser von immerhin noch 30 µmol l-1 Sauerstoff erreichte die südliche Gotlandsee und strömte den Talweg weiter abwärts bis auf etwa 120 m Tiefe. Die Winter Nitratkonzentrationen im Oberflächenwasser von nun etwa 2.7 µmol l-1 auf den Stationen Gotlandtief und Bornholmtief lagen wieder unter dem Vorjahreswert. Die Frühjahrsblüte 2023 endete am Bornholmtief etwa Ende März und an der Station Gotlandtief Ende April. Eine deutlich erkennbare Erhöhung der Nitratkonzentration erfolgte dann am Bornholmtief nicht vor Mitte November und am Gotlandtief erst Ende November. Zu der Zeit hatte die Abkühlung des Oberflächenwassers etwa 10 °C am Bornholmtief und 12 °C am Gotlandtief erreicht, was die windgetriebene Durchmischung bei herbstlichem Wetter und damit den Nachschub der Nährstoffe aus tieferem Wasser ermöglichte. Die räumliche Verteilung des Verhältnisses von gelöstem anorganischem Stickstoff zu Phosphat war ähnlich wie im Vorjahr und zeigte wieder einmal die deutliche Beschränkung der Nitratverfügbarkeit für die Frühjahrsblüte und die deutliche Begünstigung der Cyanobakterien gegenüber Primärproduzenten, die auf Nitrat angewiesen sind. Schon stark im Tiefenwasser angereichtes Phosphat am Gotlandtief wies eine erneute Erhöhung der Konzentration auf 6.2 µmol l-1 in der Referenztiefe auf, sowie auf 4.3 µmol l-1 am Karlsötief auf. Demgegenüber wurde an den Stationen Fårötief und Landsorttief etwa die gleichen Jahresmittelwerte von 4.7 µmol l-1 und 4.1 µmol l-1 Phosphat, wie im Vorjahr gemessen. Die Nitratkonzentration lag im Tiefenwasser der Gotlandsee weitgehend unter der Nachweisgrenze, was an den vorherrschend euxinischen (sulfidischen) Bedingungen lag, die eine Remineralisierung von organischem Material bis zum Nitrat verhindern, stattdessen wurde Ammonium gebildet. Vergleichbar mit dem Phosphat, wurde eine fortgesetzte Akkumulation von Ammonium im Tiefenwasser der Gotlandsee beobachtet. Eine besonders hohe Anreicherung von 35.4 µmol l-1 Ammonium wurde im Gotlandtief, von immerhin 16.9 µmol l-1 im Fårötief und von 12.8 µmol l-1 am Landsorttief gemessen. Das Karlsötief wies eine ähnliche Konzentration wie im Vorjahr von 15.9 µmol l-1 Ammonium auf. Im Gegensatz zu Phosphat, könnte die winterliche Nitratkonzentration im Oberflächenwasser die Zielkonzentration von HELCOM immer mal wieder erreichen, aber eine permanente Unterschreitung der Grenze erscheint in nächste Zukunft unwahrscheinlich. Dabei muss berücksichtigt werden, dass das Tiefenwasser der zentralen Ostseebecken gegenwärtig aufgrund der euxinischen (sulfidischen) Bedingungen eine starke Nitratsenke darstellt, so dass ein Teil der gemessenen Nitratabnahme nicht nur auf Eintragsreduktionen zurückgeführt werden kann. Wieweit die Transporte von akkumuliertem Ammonium nun aus dem Tiefenwasser zunehmen, bleibt unklar. Für Phosphat wird das unterschreiten der angestrebten Grenzwerte voraussichtlich noch mehre Dekaden dauern. Oberflächenseewasserproben wurden in Untersuchungsgebieten von der Kieler Bucht bis zur Gotlandsee mittels Transektbeprobung während der Expedition EMB311 genommen. Diese wurden auf die chlorierten Kohlenwasserstoffe Dichlordiphenyltrichlorethan (o,p‘-DDT, p,p‘-DDT) und die Metabolite p,p‘-DDE und p,p‘-DDD, polychlorierte Biphenyle (PCBICES), Hexachlorbenzol (HCB), Heptachlor (HEP) und den Metaboliten Heptachlorepoxid (HEPEP) sowie polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (U.S. EPA PAH) untersucht. Darüber hinaus wurden im Untersuchungsgebiet Oberflächenseewasserproben mittels Glaskugelschöpfer genommen und auf die α, ß und γ Isomere des Hexachlorcyclohexans (∑HCH) untersucht. Die ermittelten Konzentrationen für DDT und Metabolite (ΣDDTsum) lagen im Bereich von 2,53 pg l 1 bis 13,08 pg l-1, wobei die höchste Konzentration für die Pommersche Bucht gefunden wurde. Niedrigere Konzentrationen von p,p‘-DDT gegenüber dem langlebigen Abbauprodukt p,p‘-DDE deuten auf keine aktuellen Einträge von DDT hin. Die Konzentrationen von PCBICES und HCB lagen zwischen 1,73 pg l-1 und 8,52 pg l-1 ΣPCBSUM sowie zwischen 4.30 pg l-1 und 11.13 pg l-1 HCBSUM. Die höchste Konzentration von ΣPCBSUM wurde für die Mecklenburger Bucht (8,52 pg l-1) verzeichnet, wohingegen die höchsten HCB-Konzentrationen im südlichen Teil der östlichen Gotlandsee (11,13 pg l-1) nachgewiesen wurden. HEPEP wurde in der gelösten Phase der Oberflächenseewasserproben im Bereich von 0,16 pg l-1 bis 1,05 pg l-1 detektiert. In 2023 konnte im Untersuchungsgebiet Mecklenburger Bucht auch HEP in der gelösten Phase mit 0,09 pg l-1 nachgewiesen werden. Die Belastung des Oberflächenwassers mit PAH lag im Bereich von 1293 pg l-1 bis 5150 pg l-1 ΣPAHsum mit der höchsten Konzentration in der Pommerschen Bucht. Die meisten der in 2023 ermittelten Konzentrationen für ΣPAHsum lagen unter dem 25. Perzentil der im Untersuchungszeitraum (2003 - 2023) ermittelten Daten. Die ermittelten Konzentrationen für ∑HCH lagen im Bereich von 108 pg l-1 in der Kieler Bucht (N3) bis 161 pg l-1 in der Arkonasee (K7) mit ß-HCH als dem vorherrschenden Isomer. Die Langzeitanalyse der HCH-Isomere an der Station K4 (Arkonasee) mit Daten zurückliegend bis zum Jahr 1975 zeigt anhaltend abnehmende Konzentrationen im Oberflächenwasser und deutet auf keine aktuellen HCH-Einträge. Die Bewertung der ermittelten Daten erfolgte auf Grundlage der Umweltqualitätsnormen (UQN) der Wasserrahmenrichtlinie. Alle für HEP und HEPEP ermittelten Konzentrationen überschreiten die Jahresdurchschnitts-UQN von 0.01 pg l-1. Für die Mecklenburger und Pommersche Bucht lagen die ermittelten Konzentrationen für die hochmolekularen PAH BBF, BGHIP und ICDP über der Jahresdurchschnitts-UQN von 0.00017 pg l-1.

Abstract. The article summarizes the hydrographic-hydrochemical conditions in the western and central Baltic Sea in 2023. Based on the meteorological conditions, the horizontal and vertical distribution of temperature, salinity, oxygen/hydrogen sulphide and nutrients are described on a seasonal scale. A “cold sum” of 30.8 Kd was recorded for wintertime 2022/2023 at station Warnemünde. It is classified as a mild winter on 15th position of warm winters over the past 75 years (1948-2023). The summer “heat sum” of 288.7 Kd is far above the long-term average of 163.0 Kd and above the previous year 2022 of 281.4 Kd. In the course of the year 2023, the series of years (2017-2022) showing weak inflow activity into Baltic Sea was interrupted. During December occurred around Christmas intensified inflow activity, which is classified as midsized Major Baltic Inflow (MBI) event after MOHRHOLZ (2018) and imported a salt mass of 1.7 Gt (salinity >15 g kg-1) into the deep water of the Arkona Basin. By ongoing accumulation of hydrogen sulphide in deep water of the Gotland Sea, the intensifying of the oxygen deficit and accompanying symptoms basically continued in 2023. The increase of the oxygen deficit is caused by current eutrophication and produced and subsequently remineralized large amounts of biomass. At Gotland Deep station, the decline of oxygen continued since 2019 and showed an accumulation of hydrogen sulphide equivalent of 317 µmol l-1 oxygen and at Fårö Deep station of -171 µmol l-1 oxygen at respective deep water reference depths in 2023. The partly cool and stormy weather in summer 2023 hindered a strong seasonal oxygen deficit in bottom water of shallow Baltic Sea areas. Moreover, cold water from a minor barotropic inflow event of December 2022 entered the Arkona Sea and surpassed and entrained the oxygen bearing warm water in the centre of the Bornholm Sea that resulted in an elevated oxygen concentration of 145-255 µmol l-1 in March. An isolated parcel of the warm oxygenated water of still 30 µmol l-1 oxygen in the southern Gotland Sea moved further down the Thalweg until a depth of about 120 m. The winter surface water nitrate concentration of 2.7 µmol l-1 at Gotland Deep and at Bornholm Deep stations was measured in 2023 again below the values of previous year. The spring bloom in 2023 likely ended in the central Bornholm Sea end of March, and at the Gotland Deep station end of April. A significant replenishment of nitrate in the surface water did not take place at the Bornholm Deep station before mid-November and at Gotland Deep site end of November. At that time, cooling to about 10 °C at the Bornholm Deep site and 12 °C at the Gotland Deep station enabled wind induced mixing in autumn weather conditions and a supply of nutrients from deeper layers. The distribution pattern of the winter dissolved inorganic nitrogen versus phosphate ratio was similar to the situation in the last year and confirmed again in 2023 that nitrogen was a clearly limiting factor in the Baltic Proper, giving diazotrophic cyanobacteria an advantage compared to primary producers that depend on nitrate. In the Gotland Sea deep water strongly accumulated phosphate increased further to a concentration of 6.2 µmol l-1 in the Gotland Deep reference depths and to 4.3 µmol l-1 at the Karlsö Deep, whereas at Fårö Deep and Landsort Deep stations almost the same annual average phosphate concentration of 4.7 µmol l 1 and 4.1 µmol l-1 as last year, was determined. Nitrate was mostly below the detection limit in deep water, which is caused by euxinic (sulphidic) conditions that prevent mineralization of organic matter to nitrate, and instead ammonium is formed. Similarly to phosphate, ongoing accumulation of ammonium in deep water was recorded for Gotland Sea deep water. In the Gotland Deep an extremely high ammonium concentration of 35.4 µmol l-1, at Fårö Deep ammonium increased to 16.9 µmol l-1, at Landsort Deep to 12.8 µmol l-1 and on Karlsö Deep a similar ammonium concentration as last year of 15.9 µmol l-1 were measured. In contrast to phosphate, the nitrate winter surface water concentration may reach the HELCOM target values in certain years, but a permanent fulfilment appears unlikely in the near future. It should be noted that the deep water of central basins constituted a strong nitrate sink, because of the current intense euxinia. Thus a certain nitrate decline might not indicate the input reductions alone. However, the amount of a potential contribution of ammonium supply from deep water remains unknown. For phosphate very likely it may need some more decades to reach the targets that were aimed. Surface seawater samples were obtained in study areas from Kiel Bight to the Gotland Sea by transect sampling during the expedition EMB311. These were analyzed for the chlorinated hydrocarbons dichlorodiphenyltrichloroethane (o,p'-DDT, p,p'-DDT) and the metabolites p,p'-DDE and p,p'-DDD, polychlorinated biphenyls (PCBICES), hexachlorobenzene (HCB), heptachlor (HEP) and the metabolite heptachlor epoxide (HEPEP) as well as polycyclic aromatic hydrocarbons (U.S. EPA PAH). In addition, surface seawater samples were taken using a spherical glass sampler and analyzed for the α, ß and γ isomers of hexachlorocyclohexane (∑HCH). Concentrations determined for DDT and metabolites (ΣDDTsum) ranged from 2.53 pg l-1 to 13.08 pg l-1, with the highest concentration found for the Pomeranian Bight. Lower concentrations of p,p'-DDT compared to the long-lived degradation product p,p'-DDE indicate no recent inputs of DDT. Concentrations of PCBICES and HCB ranged from 1.73 pg l-1 to 8.52 pg l-1 ΣPCBSUM and from 4.30 pg l 1 to 11.13 pg l-1 HCBSUM. The highest concentration of ΣPCBSUM was determined for the area Mecklenburg Bight (8.52 pg l-1), whereas the highest HCB concentration was detected in the southern part of the eastern Gotland Sea (11.13 pg l-1). HEPEP was detected in the dissolved phase of the surface seawater samples ranging from 0.16 to 1.05 pg l-1. In 2023 also dissolved HEP was detected with 0.09 pg l-1 in the Mecklenburg Bight study area. Obtained concentrations for PAH ranged from 1293 pg l-1 to 5150 pg l-1 ΣPAHsum with the highest concentration found for the area Pomeranian Bight. Most ΣPAHsum data observed in 2023 were below the 25th percentile of the data obtained within the investigated period (2003 – 2023). ∑HCH concentrations ranged from 108 pg l-1 at Kiel Bight (N3) to 161 pg l-1 in the Arkona Sea (K7). The predominant isomer was ß-HCH. The long term analysis at station K4 (Arkona Sea) with data back to the year 1975 shows continuously reducing concentrations of ∑HCH which indicates no recent HCH inputs. The assessment of the obtained data was based on the environmental quality standards (EQS) of the Water Framework Directive. All concentrations determined for HEP and HEPEP exceeded the annual average EQS of 0.01 pg l-1. Determined concentrations for the high molecular weight PAHs BBF, BGHIP and ICDP were above the annual average EQS of 0.00017 pg l-1 in the areas Mecklenburg and Pomeranian Bight.

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